Aprikosen-Folientunnel im Seetal

Der Aargauer Regierungsrat hat eine Beschwerde von BirdLife Aargau und Pro Natura Aargau gegen die Bewilligung von Aprikosen-Folientunneln gutgeheissen. In dem Fall in Egliswil und Seengen sind gleich mehrere gravierende Fehler passiert: Die Baugesuche wurden nicht korrekt ausgeschrieben, der kantonale Richtplan missachtet und die Seenger Nutzungsplanung nicht eingehalten.

Aprikosen sind lecker und ihr Anbau soll möglich sein in Intensivlandwirtschaftszonen - nicht aber unter Folientunneln im Schutzgebiet.

Seit der Regierungsrat Ende Januar die Beschwerde von Pro Natura und BirdLife Aargau gegen die Bewilligung von Folientunneln in Seengen und Egliswil gutgeheissen hat, wurde in der Presse viel über den Fall berichtet. Zahlreiche Exponenten haben daraufhin öffentlichkeitswirksam ihre Meinung zu dem Fall kundgetan – und aus Unwissenheit teilweise grobe Falschaussagen gemacht.

Eine kurze Rekapitulation der Ereignisse: Der Gemeinderat von Seengen und der von Egliswil bewilligten 2017 den Bau von fünf Folientunneln, nachdem sie die Gesuche zuvor im kommunalen Anzeiger publiziert hatten. Die Abteilung für Baubewilligungen des Kantons Aargau hatte ihre Zustimmung gegeben. Erst im August 2018 erfuhr BirdLife Aargau aus der Presse von den Folientunneln im Seetal: Ein grosses Einweihungsfest wurde gefeiert, bei welchem Regierungsrat Markus Dieth persönlich teilnahm. Er outete sich dabei als Fan des landwirtschaftlichen Anbaus unter Folien und lobte das Projekt für seine Innovativität. Zusammen mit Pro Natura wurde nach Kenntnisnahme umgehend Beschwerde eingereicht, da die Tunnel in einer Landschaft von kantonaler Bedeutung stehen. In seiner Sitzung vom 15. Januar 2020 hat der Aargauer Regierungsrat unsere Beschwerde vollständig gutgeheissen.

Drei grobe Fehler

Der erste schwerwiegende Fehler betrifft die Ausschreibung: Wenn die beiden Gemeinden die Baugesuche ordnungsgemäss im kantonalen Amtsblatt ausgeschrieben hätten, wäre die Einwendung vor dem Bau der Folientunnel erfolgt. Die Folientunnel wären an diesen Standorten gar nicht erst bewilligt worden, die Landwirte hätten einen anderen Platz gefunden und der riesige Wirbel, die grundlosen Angriffe auf die Umweltverbände, die Verfahrenskosten und all die Mühen für die Landwirte wären ausgeblieben. Der Regierungsrat schreibt in seinem Urteil: „Im Übrigen ist es nicht Aufgabe der Beschwerdeführer, die Zeitungen zu durchforsten. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass die betroffenen Amtsstellen keine schwerwiegenden Verfahrensfehler begehen und Baugesuche ordnungsgemäss publizieren.“

Das Problem im konkreten Fall ist aber natürlich nicht alleine die Ausschreibung, sondern der Standort: Beide Folientunnel liegen in einer Landschaft von kantonaler Bedeutung. Solche Landschaften sind im kantonalen Richtplan ausgeschieden und behördenverbindlich geschützt. Für allfällige Bauten und Anlagen ist deshalb immer eine Interessensabwägung nötig, die hier nicht gemacht wurde. Da es sich bei Folienabdeckungen nicht um ein öffentliches Interesse handelt, ginge bei der Abwägung der Landschaftsschutz vor.

Egliswil hat den Richtplan noch nicht in der Bau- und Nutzungsordnung umgesetzt, trotz Rüge durch den Kanton. Dessen ungeachtet gilt der Richtplan natürlich auch dort. In Seengen wurde der Richtplan vorschriftsgemäss in die kommunale Raumplanung integriert und die Landschaft von kantonaler Bedeutung als Landschaftsschutzzone ausgeschieden. Im Artikel 19 der Bau- und Nutzungsordnung steht, dass Abdeckungen von länger als 3 Monaten in Landschaftsschutzzonen verboten sind. 

Ausserdem kommt der Regierungsrat zum Schluss, dass es sich beim Aprikosenanbau unter Folientunneln um eine bodenunabhängige Produktion handelt. Dies mag im ersten Augenblick abwegig klingen, beruht aber auf einem Bundesgerichtsurteil in einem ähnlichen Fall mit Tomaten und ist in einem juristischen Sinne zu verstehen. Der Aprikosen-Anbau wurde also gemäss Regierungsrat fälschlicherweise als zonenkonform beurteilt.

Einzelinteressen dürfen nicht über dem Gesetz stehen

Das Verbandsbeschwerderecht erlaubt es, Entscheide von Behörden, die nicht den demokratisch beschlossenen Vorschriften zum Schutz von Umwelt, Landschaft und Natur entsprechen, überprüfen zu lassen. Im vorliegenden Fall prüfte der Regierungsrat des Kantons Aargau den Entscheid der Gemeinden und der Abteilung für Baubewilligungen und kam zu Schluss, dass dieser nicht rechtskonform ist.

Von offenen, nicht verbauten Landschaften profitieren der Mensch und die Biodiversität. Trotzdem ist BirdLife nicht grundsätzlich gegen den Anbau von Aprikosen in Folientunneln. Diese könnten ausserhalb von Schutzzonen in einer Intensivlandwirtschaftszone erstellt werden. Dass unter den illegitimen Entscheiden der Behörden nun Landwirtschaftsbetriebe leiden, die natürlich davon ausgingen, dass Gemeinden und kantonalen Ämter richtig handeln und entscheiden, bedauert BirdLife sehr. In seinem Entscheid hat der Regierungsrat dem Rechnung getragen und pragmatische Lösungen skizziert. Beispielsweise hätten die bereits gepflanzten Bäume unter den Folientunneln stehen bleiben können, bis sie in circa 15 Jahren keine Früchte mehr liefern. Da die betroffenen Bauern, ermutigt vom Bauernverband, den Entscheid nun aber weiterziehen, muss sich erst zeigen, ob das Gericht auch so grosszügig urteilen wird.

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