Der Aargauer Grosse Rat hat die Anträge der Gemeinde Meisterschwanden zur Aufweichung des Hallwilersee-Schutzdekretes im Juni 2012 zurückgewiesen. BirdLife Aargau hat sich zusammen mit weiteren Umweltverbänden erfolgreich gegen diverse Reduktionen des Dekretsgebietes in Meisterschwanden zur Wehr gesetzt und sich für den Schutz der einmaligen Natur und Landschaft rund um den Hallwilersee stark gemacht.
Nicht ohne Grund wird der Hallwilersee häufig als "Visitenkarte des Kantons Aargau" bezeichnet. Der unverbaute, naturnahe Charakter und die Zugänglichkeit der Ufer machen die Region zum wichtigsten Erholungsgebiet des Kantons Aargau. Mit ca. 75% naturnahem Ufer weist der See rund doppelt so viel naturnahes Ufer auf wie das schweizerische Mittel, welches bei rund 37% liegt. Aufgrund seiner Bedeutung wurde der Hallwilersee mit seiner Umgebung denn auch in das Bundesinventar der Landschaften von nationaler Bedeutung (BLN) aufgenommen.
Die Wurzeln dieser Anstrengungen zur Erhaltung der Hallwilerseelandschaft reichen weit in die Vergangenheit. Der Schutz der Hallwilerseelandschaft beginnt bereits anfangs des 20. Jahrhunderts. 1908 wird das Pflücken von Seerosen verboten. Es folgen zwei Verordnungen zum Schutze des Hallwilersees und seiner Ufer - die erste 1935, die zweite 1956.
Erst mit dem kantonalen Hallwilersee-Schutzdekret (HSD) von 1986 konnte einer weiteren Zersiedelung Einhalt geboten werden. Im § 1 des Dekretes steht: „Dieses Dekret bezweckt, die Landschaft des Hallwilersees in ihrer natürlichen Eigenart und Schönheit zu erhalten und sie dabei als Lebens- und Wirtschaftsraum der einheimischen Bevölkerung und als Erholungsgebiet zu bewahren.“ Weiter heisst es: „Die Gemeinden richten ihre Ortsplanung nach diesen Grundsätzen aus.“ Das heutige Schutzdekret basiert auf einem damals ausgehandelten Kompromiss, welcher aus Sicht der Natur und Landschaft ein absolutes Minimum darstellt und wenn nötig ergänzt, keinesfalls aber geschmälert werden soll.
Es gab schon mehrere Änderungsbegehren: So wurde das Dekret 2005 zu Lasten der Umwelt geändert, um private Veranstaltungen im Schloss Hallwyl zu ermöglichen. Das spätere Begehren, in Birrwil Seebühnen im Wasser für Verantstaltungen zu erstellen, wurde jedoch abgelehnt.
Der vor Ort aktive Natur- und Vogelschutzverein Oberes Seetal machte BirdLife Aargau auf die Versuche der Gemeinde Meisterschwanden, das Dekret aufzuweichen, aufmerksam. Dank der guten Ortskenntnisse des lokalen Vereins konnte BirdLife Aargau eine fundierte Einwendung verfassen.
Die geplanten Anpassungen in Meisterschwanden widersprechen in allen Fällen den Zielen des HSD. Abweichungen vom bestehenden Schutzdekret benötigen eine umfassende Interessenabwägung. Dabei gilt gemäss Botschaft an den Grossen Rat zum HSD vom 17. Juni 1985: „In der Interessenabwägung hat die Landschaft Vorrang, selbst vor anderen öffentlichen Interessen. Umso mehr werden Privatinteressen Grenzen gesetzt.“
Die Gemeinde Meisterschwanden beantragte unter anderem folgende Dekretsanpassungen:
Die geplanten Anpassungen sollten den Bau von Villen und Parkplätzen ermöglichen, welche die einzigartige Landschaft stark beeinträchtigten. Solche Änderungen würden einen Präzedenzfall schaffen, der das Ende des naturnahen Seeufers bedeuten kann: Im Sinne der Gleichbehandlung müssten weitere private und öffentliche Bauvorhaben bewilligt werden, wodurch das Schutzgebiet um den Hallwilersee Stück für Stück verschwinden würde.
Der Aargauer Regierungsrat unterstützte die geforderten Änderungen der Gemeinde Meisterschwanden. Zum Glück haben die Argumente der Umweltverbände die Aargauer Grossräte überzeugt. Im Vorfeld der Grossratssitzung haben die Umweltverbände alle Grossräte angeschrieben und mit zahlreichen von ihnen das Gespräch gesucht. Die intensive Lobbyarbeit hat sich ausgezahlt; sogar ein Teil der SVP-Grossräte unterstützte die Anliegen der Umweltverbände. Die Anträge wurden vom Kantonsparlament deutlich zurückgewiesen. Meisterschwanden muss nun nach diesem Entscheid seine Ortsplanung - wie alle Gemeinden rund um den Hallwilersee ebenfalls - nach dem Hallwilersee-Schutzdekret richten.
Der Einsatz der Umweltverbände hat sich gelohnt. Die Argumente wurden von links bis rechts verstanden. Natur und Landschaft um den Hallwilersee haben gewonnen! Es ist offensichtlich, der Schutz der Landschaft gewinnt in letzter Zeit politisch an Bedeutung. Die Abstimmungsergebnisse bei der Zweitwohnungsinitiative auf eidgenössischer Ebene und der Kulturlandinitiative im Kanton Zürich zeigen dies deutlich.
Finden Sie hier weiterführende Informationen:
AZ Berichte zum Erfolg der Natur: Titelseite mit Kommentar, Artikel vom 6. Juni 2012
Argumentarium der Umweltverbände